Diskussion: Biologische Filterung, Stickstoff oder der Rattenschwanz unserer Handlungen

  • Hallo,


    Gestern wurde ja ein Thread vom Dirk aufgemacht in Bezug auf biologische Filterung. Dort ist mir ein weit verbreiteter Irrtum aufgefallen und zwar in Bezug auf Siedlungsfläche und Bakterien.
    Was hier folgt sind ein paar Gedanken zu dem Thema. Aber eins vorweg: Es sind meine Gedanken. Ich kenne jetzt keine Untersuchungen, die alle meine Überlegungen wissenschaftlich untermauern. Und eines habe ich gelernt: Jedes Aquarium hat seine eigene Biologie, die sich dem Normalaquarianer in ihrer ganzen Komplexität der Kontrolle entzieht. Es gibt natürlich Gesetzmäßigkeiten, aber was letztendlich wirklich bis ins kleinste Detail im Becken passiert, kann wohl keiner vorhersagen.


    Libigsche Minimumgesetz: Obwohl dieses Gesetz sich mit der Pflanzendüngung beschäftigt, kann man durchaus sagen, dass es für jeden Organismus Gültigkeit hat. Die Aussage lautet: Ein Organismus kann sich nur so weit entwickeln, wie es die knappste Ressource erlaubt und ein Mangel einer Ressource kann nicht durch ein Überangebot einer anderen Ressource kompensiert werden.
    In Bezug auf die Nitrifikationsbakterien gilt das Gleiche. Ein Mangel an Nahrung kann also nicht durch ein Überangebot an Platz kompensiert werden.
    Soll heißen, wenn die anfallende Nahrung nur reicht, um so und so viel Bakterien zu ernähren, nutzt mir die fünffache Menge an Platz nichts.
    Wenn ich also mehr Siedlungdfläche in Form von Biokugeln oder so in ein Becken schmeiße, dass eine Nährstofflimitierung hat, vermehren sich die Bakterien also nicht.
    Trotzdem kann es passieren, dass mehr Nitrat im Wasser nach einer gewissen Zeit nachweisbar ist.
    Nun ist natürlich die Frage, wo kommt das her? Wir haben ja nicht die Gleichung: mehr Bakterien also auch mehr Nitratbildung.
    Was haben wir also geändert?
    Wir haben den Ort und die Zeit geändert.


    Um das anschaulich zu machen. Wir haben die Wahl zwischen 2 Räumen. In beiden Räumen steht mittendrin ein Stuhl, auf dem wir festgeschnallt werden. In Raum eins erfolgt unsere Ernährung mit Hilfe einer Schildkröte, die ein kleines Lebensmittelpäckchen zieht. In Raum 2 erfolgt unsere Ernährung mit Hilfe eines Hundes, der einen vollen Kühlschrank zieht.
    Was für einen Raum würden wir wohl vorziehen?
    Um auf die Bakterien zurückzukommen: Für die Nitrifikationsbakterien ist der Filterraum gleichbedeutend mit dem Raum, wo der Hund den Kühlschrank zieht.
    Der Stuhl ist das Filtermaterial.
    In einem Filter erfolgt durch die innere Strömung ein sehr schneller Transport von Nahrung an die Bakterien. Quasi ein Schlaraffenland. Da Bakterien sich immer da am liebsten ansiedeln, wo optimale Bedingungen herrschen, erfolgt mit der Zeit eine starke Besiedlung des Filtermaterials.
    Die Nitrifikationsbakterien sind durch die schnelle und ständige Narungszufuhr in der Lage, viel besser zu arbeiten, also quasi in kurzer Zeit mehr Nitrat zu produzieren als ohne Filterraum.
    Da aber oftmals die Denitrifikation NCHT im Filtermaterial stattfindet, sondern weiterhin z.B. im LG, entsteht ein Ungleichgewicht in Bezug auf die Abbaurate des Nitrats. Soll heißen, es wird in kurzer Zeit mehr Nitrat produziert, als bei der Denitrifikation umgewandelt werden kann.
    Im Endeffekt fließt mehr Nitrat zu als ab, aber die Menge selber, die die Bakterien produzieren, bleibt gleich.


    Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Was passiert mit der Bakterienflora im Becken selber? Wir haben ja quasi eine Verlagerung der Nitrifikationsbakterien aus dem Becken rein in das Filtermaterial. Nach dem Minimumgesetz muss ja zwangsläufig eine Verarmung der Nitrifikationsbakterienanzahl im Becken selber passieren.
    Ist das schädlich? Macht das nichts?
    Ich kenne keine Antwort darauf, aber da es durchaus böse substatgebundene Bakterien gibt, die sich dann auf die freien Plätze niederlassen können und bei entsprechendem Nahrungsangebot auch vermehren können, denke ich, dass es nicht so verkehrt ist, nicht allzu vielen Nitrifikationsbakterien das Leben im Becken zu erschweren.
    Wie kann man das erreichen?
    Hier kann man durchaus mit der Ressource Platz experimentieren. Also nicht direkt so viel Filtermaterial wie möglich in den Filterraum packen, sondern sparsam damit umgehen.
    Eine weitere Möglichkeit ist es, den Filter nur stundenweise laufen zu lassen. Sterben da die Nitrifikationsbakterien nicht nach 2 Stunden ab? Ich habe sehr viel Erfahrung mit Geringfilterung (sprich wenig Filtermaterial) und stundenweiser Filterung im Süßwasser gesammelt. Mein Beobachtungen decken sich mit einer Vielzahl andere Aquarianer. Ein stundenweiser Filterausfall- oder Stillstand hat bei mir noch nie zu irgendwelchen Problemen geführt.
    Zur zeit kombiniere ich auch sowohl im Algenbecken wie auch im Werstattbecken beide Maßnahmen. Bisher habe ich keinerlei Probleme damit und der Nitratwert ist im messbaren, aber nicht hohen Bereich. Dass das nicht so bleiben muss, ist mir schon klar.


    Wer jetzt denkt, so eine biologische Filterung ist zwar billig aber doch etwas unkontrollierbar, hat durchaus Recht.
    Was bleibt noch?
    Mehr füttern wäre noch so eine Möglichkeit. Hat aber das Problem, dass neben Nitrat auch noch andere schöne Dinge, wie z.B. Phosphat ins Becken kommt.
    Also Stickstoff selber düngen.
    Was gibt es denn da?
    Bekanntest Möglichkeiten: als Ammoniumsalz, Harnstoff oder als Nitratsalz.
    Ammonium im Meerwasser funktioniert durchaus, hat aber ein großes Problem. Im Meerwasser hat man ja einen recht hohen pH-Wert um 8. Dies hat zur Folge, dass ein Teil des Ammoniums sich in das giftige Ammoniak wandelt. Je höher der pH-Wert, desto mehr Ammoniak bidet sich. Also recht gefährlich, wenn man da nicht aufpasst.
    Nitratsalze: Da gibt es eigentlich 3 Möglichkeiten. Das Problem ist, dass oftmals Hersteller von Fertiglösungen nicht unbedingt drauf schreiben, was für Natriumsalze drin sind. Nitrat gibt es nämlich nicht pur, sondern nur im Doppelpack mit einem Kationenpartner.
    Dieser ist entweder Magnesium; Kalium, oder Calcium. (Andere Nitratsalze kenne ich jetzt nicht als Grundstoff für Dünger) Mg und Ca im Meerwasser ist ja recht einfach zu bestimmen und zu kontrollieren. Aber was ist mit Kalium? In Glasers Buch Meerwasserchemie wird eindringlich von einer Erhöhung des Kaliumwertes über das natürliche Niveau gewarnt. Nun kenne ich zwar keine Untersuchung, die sich mit der Erhöhung von Kalium über Kaliumnitrat im Meerwasser beschäftigt, weiß aber aus der Süßwasserszene, wo Stickstoffdüngung seit Jahren sehr verbreitet ist, dass der Kaliumwert in Becken teilweise um das 4-fache angestiegen ist.


    Ach ja, was ist mit Maggi?
    In 100g Maggi sind 13g Eiweiß in Form von Aminosäuren und 138mg Purine. :D :D :D



    Eins muss klar sein; jede unserer Eingriffe ins Becken hat Auswirkungen auf das gesamte System. Wie das Becken letztendlich auf unsere Maßnahmen reagiert, können wir nur aufgrund von Beobachtungen herausbekommen. wobei aber immer die Gefahr besteht, dass unsere Schlussfolgerung aufgrund der Beobachtung falsch ist.


    lg
    Beate
    P.S. Meine Beschäftigung mit Bakterien und Filterung ist schon etliche Jahre her. Von daher müssen meine Überlegungen oben durchaus nicht mehr dem aktuellen Stand betreffen.
    Daher kommt das Thema auch in das Diskussionsboard, damit, falls jemand aktuelle Untersuchungen kennt, dieses hier posten kann.

  • Hallo Beate


    Man was bin ich froh, dass sich jemand dem Thema angenommen hat. Hatte es mir eigentlich schon abgewöhnt darüber etwas zu schreiben.


    Da bei normalen Filtern durch den Stickstoffkreislauf (z.B. durch die Eiweißbestandteile des Futters, durch abgestorbene tierische und pflanzliche Zellen) das in der Regel vorliegende Ammonium über das giftige Nitrit zu Nitrat oxidiert wird, reichert sich das Nitrat im Aquarium zwangsläufig an. Aber was jetzt tun, mein Weg war immer ein Denitrifikationfilter zu schaffen, der es ermöglicht den Bakterien eine relativ große Besiedlungsfläche zu besetzen. Das das in meinem Fall nicht unbedingt Lebendgestein sein muss, habe ich schön öfter geschrieben. Zunächst wie oben geschrieben, sollte man versuchen die Eiweißbestandteile im Vorfeld abzuschäumen, das halte ich nach meinem Verständnis für absolut notwendig. Mit Hilfe der Abschäumung werden Proteine sofort aus dem Wasser entfernt, ohne dass sie mikrobiologisch zu den Endprodukten oxidiert werden. Die Folge ist ein wesentlich geringerer Anstieg der Endprodukte, insbesondere Nitrat und Phosphat. Das Wasser wird weniger belastet, das Redoxpotential liegt höher. Desweiteren war mein Weg, ein externes DSB Sandbettrefugium einzurichten, oder wie in frühen Jahren einen langsam durchströmenden Kiesbettfilter zu benutzen. Die Durchlaufgeschwindigkeit betrug 2-3,5 l/h.


    Konsequent zu Ende gedacht, könnte dann das optimale System dann so aussehen:
    1. Kein/wenig Bodengrund, glatte nicht poröse Steine, kaum LS, keine biologisch aktive Filtermasse um die Oxidation der Proteine zu Ammonium möglichst lange zu verzögern und sie für den Schäumer verfügbar zu halten.
    2. Ein sehr starker Abschäumer um die Proteine möglichst rückstandsfrei zu entfernen.
    3. Ein langsam laufender Denitrifikationsfilter, um die restlichen Mengen an Proteinen die dem Schäumer entgehen, und zu Nitrat werden, zu beseitigen. Da dieser nur langsam läuft und im sauerstoffarmen Bereich arbeitet, erzeugt er ja kein Nitrat.

    Beste Grüße
    Harald


    Freunde gibt es viele. Nur die Echten wird man erkennen.

  • Hallo Harald,

    Das das in meinem Fall nicht unbedingt Lebendgestein sein muss, habe ich schön öfter geschrieben.

    Ein wie ich finde, sehr interessanter Punkt. Als ich angefangen habe mit Meerwasser und mich informiert habe, kam aus jeder Quelle wie ungemein wichtig das ist. 10% des Beckeninhaltes ist Minimum.
    Hinterfragt habe ich das natürlich nicht. :rolleyes:


    Wie ist es heute? Nun, Werkstattbecken und Algenbecken laufen ja hauptsächlich mit Riffkeramik.
    Es war irgendwie ein schleichender Prozess des Hinterfragens.
    Ich sah ins Becken und stellte mir dann einige Fragen:
    Das Gestein wurde hochgradig von Kalkrotalgen überwachsen. Kalkrotalgen zementieren das LG quasi zu.
    Die Korallen wurden mehr und wuchsen auch. Sprich, das LG wurde überwachsen.
    Ich hatte mal einen Brocken LG aus dem Becken genommen und in einem Eimer gelegt. Beim Hochnehmen kam eine ganze Schmodderwolke aus dem Stein. Ich habe den Stein dann mehrmals in dem Wasser gespült, das Wasser war mehr als trüb.


    Die Fragen, die dann aufkamen: Wie kann LG noch seine Funktion so richtig erfüllen, wenn a. die Poren von Korallen und Kalkrotalgen überwachsen werden und wie kann der Abbau noch ungestört funktionieren, wenn die Poren voller Dreck sind, also quasi verstopfen? Dass am Anfang das LG, wenn es gut ist, prima funktioniert, keine Frage, aber was ist im Laufe der Zeit?
    Wie entwickelt sich die Biologie im Becken, wenn das LG immer weniger arbeiten kann?
    Ist es nicht besser, von vornerein eine Möglichkeit zu haben, ohne die Hilfe von LG einen Stickstoffaustrag zu haben?
    Oder wie ist es, den Nährstoffeintrag massiv zu begrenzen? Zeolith viellicht?


    Ich habe mich beim Werkstattbecken für ein Algenrefugium entschlossen, auch aus dem Grund, weil im Süßwasseraquarium Pflanzen eine große Rolle für die Gesunderhaltung des Aquariums spielen. Man denke nur an die Fähigkeit Krankheitskeime zu vernichten etc. Ich kann mir vorstellen, dass Algen im Meerwasser auch in der Lage sind, mehr zu tun, als nur Nitrat zu mampfen. Alleopathie wäre da z.B. ein interessanter Forschungsaufrag. Die alleopathichen Wirkstoffe in Süßwasserpflanzen sind teiweise schon recht gut erforscht.


    Leider habe ich das Problem, dass dadurch, dass ich kaum Produzenten habe, eben in eine Nährstofflimitierung reinrutschte.
    lg
    Beate

  • Guten morgen zusammen,
    Beate, mit dem start dieses themas hast du dich wieder selbst uebertroffen:-))


    Von meiner seite nur zwei einwuerfe:
    Erstens halt ich es trotz oekologischer bedenken, schlechterer kontrollierbarkeit etc fuer den besten weg mit lebendgestein zu arbeiten, da man auf diese art eine sehr grosse biodiversitaet ins becken bekommt.
    Zweitens eine ketzerische frage:
    Ist die ganze zeolith-hokus-pokus-nummer nicht eigentlich da sgleiche wie siporax?
    Man bietet auch ne siedlungsflaeche fuer bakterien an und erhofft sich dadurch bestimmte effekte?


    Netter gruss
    Lutz

  • Gerne möchte ich ein paar Zeilen dazu schreiben auch wenn es nicht unbedingt ins das Thema passt, oder doch?


    Zitat: Erstens halt ich es trotz oekologischer bedenken, schlechterer kontrollierbarkeit etc fuer den besten weg mit lebendgestein zu arbeiten, da man auf diese art eine sehr grosse biodiversitaet ins becken bekommt.


    Lutz alles schön und gut, aber was ist Biodiversität denn eigentlich? Ich gehe mal davon aus, dass du eine große Artenvielfalt meinst. Betrachten wir uns doch ein Stück LG. Gut du wirst finden, so denn sie in einem guten Zustand sind, höhere Algen – kleinere Röhrenwürmer – Flohkrebse – Borstenwürmer – Krabben – mit viel Glück kleinere Korallenfragmente – kleinere Seesterne aller Art …
    Aber der entscheidende Faktor ist doch die Bakterientätigkeit, und da ist in aller Regel nicht mehr viel von vorhanden, und genau das ist doch der Grund, aus meiner Sicht, dass es manchmal eine gefühlte Ewigkeit dauert, bis ein Aquarium biologisch stabil läuft. Daher stelle ich die Frage in den Raum: Höhere Artenvielfalt = höhere Stabilität einer Lebensgemeinschaft? Ich behaupte nein, keine höhere Stabilität einer Lebensgemeinschaft. Beate hat es ja auch schon treffend beschrieben.


    Ich zitiere: Ich sah ins Becken und stellte mir dann einige Fragen:
    Das Gestein wurde hochgradig von Kalkrotalgen überwachsen. Kalkrotalgen zementieren das LG quasi zu.
    Die Korallen wurden mehr und wuchsen auch. Sprich, das LG wurde überwachsen.
    Ich hatte mal einen Brocken LG aus dem Becken genommen und in einem Eimer gelegt. Beim Hochnehmen kam eine ganze Schmodderwolke aus dem Stein. Ich habe den Stein dann mehrmals in dem Wasser gespült, das Wasser war mehr als trüb.


    Die Fragen, die dann aufkamen: Wie kann LG noch seine Funktion so richtig erfüllen, wenn a. die Poren von Korallen und Kalkrotalgen überwachsen werden und wie kann der Abbau noch ungestört funktionieren, wenn die Poren voller Dreck sind, also quasi verstopfen? Dass am Anfang das LG, wenn es gut ist, prima funktioniert, keine Frage, aber was ist im Laufe der Zeit?
    Wie entwickelt sich die Biologie im Becken, wenn das LG immer weniger arbeiten kann?


    Aber noch mal auf die Frage zurück zu kommen, Was ist Biodiversität? Für mich stellt sich das so dar. Biodiversität ist für mich untrennbar mit dem Artenschutz verbunden, gerne möchte ich erwähnen "Die Natur braucht uns nicht, aber wir brauchen die Natur." Dahinter verbirgt sich, sollte die Menschheit einmal aussterben, das vielfältige sonstige tierische und pflanzliche Leben sich wieder erholt, wobei der dafür notwendige Zeitraum natürlich davon abhängt, wie viel die Menschen bis dahin zerstört haben werden. Dabei ist die Vielfalt des Lebens im Bereich der Riffe sprichwörtlich. So sind beispielsweise im Raubbau mehrerer Tonnen Riffgesteins die Auswirkungen in den entsprechenden Gebieten nach dem auch zwangsläufigen Korallensterben stark zu spüren.

    Beste Grüße
    Harald


    Freunde gibt es viele. Nur die Echten wird man erkennen.

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  • Hallo Lutz,

    st die ganze zeolith-hokus-pokus-nummer nicht eigentlich da sgleiche wie siporax?


    Nein, Zeolith ist ein Ionenaustauscher, also strenggenommen eine chemische Filterung, Siporax ist gesintertes Glas, also ein reines Filtermedium.
    Es ist recht einfach ohne LG nur mit Hilfe von Filtermaterial, sei es Schaumstoff, Biokugeln oder anderes, eine funktionierende Nitrifikationskette aufzubauen. Das Problem liegt bei der Denitrifikation, ein Vorgang der in den heutigen Riffbecken eine sehr wichtige Bedeutung hat. Nur ist diese Denitrifikation in normalen Filter mit Filtermaterial (auch Siporax!) nicht oder nur ungenügend möglich, da diese normalen Filter aerob arbeiten. Als Konsequenz kommt es eben zu einer Anhäufung von Nitrat. Mit ein Grund, warum normales Filtermaterial in der heutigen Zeit verpönt ist. Süßwasseraquarianer haben es das einfacher, sie können diese Tatsache getrost ignorieren, da es recht leicht ist, auch größere Mengen an Wasser zu wechseln, um so den Nitratgehalt zu senken.


    LG an sich bietet zur Denitrifikation sehr gute Vorraussetzungen, aber eben auch nur, solange noch irgendwie Wasser in die hinteresten Poren gelangen kann.
    Wenn man sich also als Aquarianer nur auf das LG verlässt, könnte es durchaus passieren, dass man eines Tages eine böse Überraschung erlebt und der Nitratwert kontinuierlich ansteigt. Das LG verhält sich dann wie stinknormales Filtermaterial, es bietet nur noch den aeroben Nitrifikationsbakterien optimale Bedingungen.


    Zum Animpfen von Riffkeramik etc, gibt es heute meiner Meinung nach recht gute Bakterienpräparate.


    lg
    Beate

  • Das bestätigt meine Theorie, dass es eigentlich Wurst ist ob man LG oder TG nimmt ... es kommt auf die Masse an um eine möglichst große Besiedlungsoberfläche zu bekommen.


    Das setzt natürlich fluffiges und super poröses Gestein voraus ...



    LG Lars

  • Hallo Lars


    Ich zitiere nochmal.


    Zitat

    Die Fragen, die dann aufkamen: Wie kann LG noch seine Funktion so richtig erfüllen, wenn a. die Poren von Korallen und Kalkrotalgen überwachsen werden und wie kann der Abbau noch ungestört funktionieren, wenn die Poren voller Dreck sind, also quasi verstopfen? Dass am Anfang das LG, wenn es gut ist, prima funktioniert, keine Frage, aber was ist im Laufe der Zeit?


    Da nutzt dir dann fluffiges und super poröses Gestein auch nichts.

    Beste Grüße
    Harald


    Freunde gibt es viele. Nur die Echten wird man erkennen.

  • Das trägt zusätzlich seinen Teil dazu bei ... die Devise war mehr Oberfläche mehr Platz zum besiedeln


    Natürlich werden im Laufe der Zeit einiges an Fläche "verstopft" oder überwachsen ... daher wiederum die Devise viel hilft viel



    LG Lars

  • Dann sollte vielleicht hier noch eine Anschlußfrage gestellt werden:
    Kann ich es erreichen, dass das Lebendgestein auf Dauer seine Funktion erfüllt?


    Das läuft darauf hinaus, dass das Riffgestein ab und zu mal mit der Strömungspumpe "gespült" werden muss, um den Detritus, der trotz normaler Strömung sich dort absetzt, herauszublasen.
    Aber je dichter (und damit schöner) der Besatz, desto schwieriger wird dies. Wenn das Gestein dann nach ein paar Jahren dicht zubewachsen ist, kann man auch das Riff schlecht durchströmen, da dann zu viele Korallen verletzt werden durch die starke Strömung. Genau zu dem Zeitpunkt, wo es nötig wäre... ?(


    Irgendwie sehe ich da keinen Ausweg.


    Gruß
    Sandy

  • Hallo,


    eins meiner Lieblingsthemen :yush: :D
    Es gab schon öfter mal den Einwand, wie es denn sein könne das frisches Lebendgestein, wenn man es aufschlägt, von innen schneeweiß ist.
    Die braune Kruste, die von der Besiedlung durch Bakterien gefärbt ist, ist recht schmal.
    Wo genau fängt der anaerobe Bereich denn nun an?
    Ich weiss nicht mehr wo ich das mal gelesen habe, aber da wurde behauptet, dass der anaerobe Bereich schon unter der dünnen Schleimschicht eines aeroben Bakterienrasen anfängt.
    Ist es wirklich wahr, das nur in porösen Gestein, ob echtes Riffgestein oder Keramik, eine Denitrifikation stattfinden kann?
    Ich bezweifle das schon lange.


    Gruß Frank

  • Hallo Frank,
    in Biofilmen finden tatsächlich nebeneinander aerobe und anaerobe Vorgänge statt. Wobei anaerob nicht gleichbedeutend sein muss mit Denitrifikation. Anaerobe Vorgänge sind auch z.B. die Nitratatmung und die DAP (dissimilatorische Ammonium-Produktion).
    Das Problem ist, dass diese "oberflächlichen" Biofilme oftmals nicht leistungsstark genug sind, um eine ausreichende Denitrifikation zu gewährleisten. Biofilme, denen wirklich ein absolut anaerober Raum zur Verfügung steht, sind da leistungsfähiger. Dieses macht man sich ja auch in Kläranlagen zu Nutze.
    Zudem kommt noch hinzu, dass diese Oberflächenbiofilme gerade in Meerwasserbecken ständig gestört und dezimiert werden.
    Wodurch?
    Durch unsere kleinen fleißigen Helferlein, den Einis und Schnecken zum Beispiel. Gerade bei Schnecken kann man dies gut sehen, wenn die sich durch einen Biofilm auf einer Scheibe fressen. Da kann man dann richtige Fress-Straßen sehen. Und genauso gründlich wird natürlich auch die Deko abgelutscht, sei es LG oder anderes.
    Und im Meerwaser heißt es ja so schön, nur nicht an einer Cleaning-Crew sparen. :D


    Kann ich es erreichen, dass das Lebendgestein auf Dauer seine Funktion erfüllt?

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies wirklich möglich ist. Wobei ich aber überhaupt keine Prognose stellen kann und werde, wann LG "platt" ist. Viele Aquarianer gehen ja auch dazu über, nach einer gewissen Zeit, das alte LG gegen peu à peu gegen neues auszutauschen.

    Irgendwie sehe ich da keinen Ausweg.

    Zum Glück ist es ja nicht unbedingt notwendig, LG als alleinige Denitrifikationsquelle zu haben. Man muss halt, wenn man merkt, UUps, mein Nitratwert fängt nach vieleicht 2 Jahren oder so, so langsam aber stetig an zu steigen, sich um Alternativen zu kümmern. Sei es Wodka-Methode oder andere Denitrifikationsfilter.


    Wie ich schon oben erwähnte, wir haben so keinerlei Kontrolle, was biologisch in unseren Becken eigentlich stattfindet. Ich bestreite auch nicht, dass es Becken gibt, die über viele Jahre ohne großartige Probleme funktionieren. Andererseits gibt es auch Becken, die von Anfang an irgendwie nicht rund laufen. Man steckt als Aquarianer einfach nicht drin. ;(


    lg
    Beate

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