Hallo,
Gestern wurde ja ein Thread vom Dirk aufgemacht in Bezug auf biologische Filterung. Dort ist mir ein weit verbreiteter Irrtum aufgefallen und zwar in Bezug auf Siedlungsfläche und Bakterien.
Was hier folgt sind ein paar Gedanken zu dem Thema. Aber eins vorweg: Es sind meine Gedanken. Ich kenne jetzt keine Untersuchungen, die alle meine Überlegungen wissenschaftlich untermauern. Und eines habe ich gelernt: Jedes Aquarium hat seine eigene Biologie, die sich dem Normalaquarianer in ihrer ganzen Komplexität der Kontrolle entzieht. Es gibt natürlich Gesetzmäßigkeiten, aber was letztendlich wirklich bis ins kleinste Detail im Becken passiert, kann wohl keiner vorhersagen.
Libigsche Minimumgesetz: Obwohl dieses Gesetz sich mit der Pflanzendüngung beschäftigt, kann man durchaus sagen, dass es für jeden Organismus Gültigkeit hat. Die Aussage lautet: Ein Organismus kann sich nur so weit entwickeln, wie es die knappste Ressource erlaubt und ein Mangel einer Ressource kann nicht durch ein Überangebot einer anderen Ressource kompensiert werden.
In Bezug auf die Nitrifikationsbakterien gilt das Gleiche. Ein Mangel an Nahrung kann also nicht durch ein Überangebot an Platz kompensiert werden.
Soll heißen, wenn die anfallende Nahrung nur reicht, um so und so viel Bakterien zu ernähren, nutzt mir die fünffache Menge an Platz nichts.
Wenn ich also mehr Siedlungdfläche in Form von Biokugeln oder so in ein Becken schmeiße, dass eine Nährstofflimitierung hat, vermehren sich die Bakterien also nicht.
Trotzdem kann es passieren, dass mehr Nitrat im Wasser nach einer gewissen Zeit nachweisbar ist.
Nun ist natürlich die Frage, wo kommt das her? Wir haben ja nicht die Gleichung: mehr Bakterien also auch mehr Nitratbildung.
Was haben wir also geändert?
Wir haben den Ort und die Zeit geändert.
Um das anschaulich zu machen. Wir haben die Wahl zwischen 2 Räumen. In beiden Räumen steht mittendrin ein Stuhl, auf dem wir festgeschnallt werden. In Raum eins erfolgt unsere Ernährung mit Hilfe einer Schildkröte, die ein kleines Lebensmittelpäckchen zieht. In Raum 2 erfolgt unsere Ernährung mit Hilfe eines Hundes, der einen vollen Kühlschrank zieht.
Was für einen Raum würden wir wohl vorziehen?
Um auf die Bakterien zurückzukommen: Für die Nitrifikationsbakterien ist der Filterraum gleichbedeutend mit dem Raum, wo der Hund den Kühlschrank zieht.
Der Stuhl ist das Filtermaterial.
In einem Filter erfolgt durch die innere Strömung ein sehr schneller Transport von Nahrung an die Bakterien. Quasi ein Schlaraffenland. Da Bakterien sich immer da am liebsten ansiedeln, wo optimale Bedingungen herrschen, erfolgt mit der Zeit eine starke Besiedlung des Filtermaterials.
Die Nitrifikationsbakterien sind durch die schnelle und ständige Narungszufuhr in der Lage, viel besser zu arbeiten, also quasi in kurzer Zeit mehr Nitrat zu produzieren als ohne Filterraum.
Da aber oftmals die Denitrifikation NCHT im Filtermaterial stattfindet, sondern weiterhin z.B. im LG, entsteht ein Ungleichgewicht in Bezug auf die Abbaurate des Nitrats. Soll heißen, es wird in kurzer Zeit mehr Nitrat produziert, als bei der Denitrifikation umgewandelt werden kann.
Im Endeffekt fließt mehr Nitrat zu als ab, aber die Menge selber, die die Bakterien produzieren, bleibt gleich.
Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Was passiert mit der Bakterienflora im Becken selber? Wir haben ja quasi eine Verlagerung der Nitrifikationsbakterien aus dem Becken rein in das Filtermaterial. Nach dem Minimumgesetz muss ja zwangsläufig eine Verarmung der Nitrifikationsbakterienanzahl im Becken selber passieren.
Ist das schädlich? Macht das nichts?
Ich kenne keine Antwort darauf, aber da es durchaus böse substatgebundene Bakterien gibt, die sich dann auf die freien Plätze niederlassen können und bei entsprechendem Nahrungsangebot auch vermehren können, denke ich, dass es nicht so verkehrt ist, nicht allzu vielen Nitrifikationsbakterien das Leben im Becken zu erschweren.
Wie kann man das erreichen?
Hier kann man durchaus mit der Ressource Platz experimentieren. Also nicht direkt so viel Filtermaterial wie möglich in den Filterraum packen, sondern sparsam damit umgehen.
Eine weitere Möglichkeit ist es, den Filter nur stundenweise laufen zu lassen. Sterben da die Nitrifikationsbakterien nicht nach 2 Stunden ab? Ich habe sehr viel Erfahrung mit Geringfilterung (sprich wenig Filtermaterial) und stundenweiser Filterung im Süßwasser gesammelt. Mein Beobachtungen decken sich mit einer Vielzahl andere Aquarianer. Ein stundenweiser Filterausfall- oder Stillstand hat bei mir noch nie zu irgendwelchen Problemen geführt.
Zur zeit kombiniere ich auch sowohl im Algenbecken wie auch im Werstattbecken beide Maßnahmen. Bisher habe ich keinerlei Probleme damit und der Nitratwert ist im messbaren, aber nicht hohen Bereich. Dass das nicht so bleiben muss, ist mir schon klar.
Wer jetzt denkt, so eine biologische Filterung ist zwar billig aber doch etwas unkontrollierbar, hat durchaus Recht.
Was bleibt noch?
Mehr füttern wäre noch so eine Möglichkeit. Hat aber das Problem, dass neben Nitrat auch noch andere schöne Dinge, wie z.B. Phosphat ins Becken kommt.
Also Stickstoff selber düngen.
Was gibt es denn da?
Bekanntest Möglichkeiten: als Ammoniumsalz, Harnstoff oder als Nitratsalz.
Ammonium im Meerwasser funktioniert durchaus, hat aber ein großes Problem. Im Meerwasser hat man ja einen recht hohen pH-Wert um 8. Dies hat zur Folge, dass ein Teil des Ammoniums sich in das giftige Ammoniak wandelt. Je höher der pH-Wert, desto mehr Ammoniak bidet sich. Also recht gefährlich, wenn man da nicht aufpasst.
Nitratsalze: Da gibt es eigentlich 3 Möglichkeiten. Das Problem ist, dass oftmals Hersteller von Fertiglösungen nicht unbedingt drauf schreiben, was für Natriumsalze drin sind. Nitrat gibt es nämlich nicht pur, sondern nur im Doppelpack mit einem Kationenpartner.
Dieser ist entweder Magnesium; Kalium, oder Calcium. (Andere Nitratsalze kenne ich jetzt nicht als Grundstoff für Dünger) Mg und Ca im Meerwasser ist ja recht einfach zu bestimmen und zu kontrollieren. Aber was ist mit Kalium? In Glasers Buch Meerwasserchemie wird eindringlich von einer Erhöhung des Kaliumwertes über das natürliche Niveau gewarnt. Nun kenne ich zwar keine Untersuchung, die sich mit der Erhöhung von Kalium über Kaliumnitrat im Meerwasser beschäftigt, weiß aber aus der Süßwasserszene, wo Stickstoffdüngung seit Jahren sehr verbreitet ist, dass der Kaliumwert in Becken teilweise um das 4-fache angestiegen ist.
Ach ja, was ist mit Maggi?
In 100g Maggi sind 13g Eiweiß in Form von Aminosäuren und 138mg Purine.
Eins muss klar sein; jede unserer Eingriffe ins Becken hat Auswirkungen auf das gesamte System. Wie das Becken letztendlich auf unsere Maßnahmen reagiert, können wir nur aufgrund von Beobachtungen herausbekommen. wobei aber immer die Gefahr besteht, dass unsere Schlussfolgerung aufgrund der Beobachtung falsch ist.
lg
Beate
P.S. Meine Beschäftigung mit Bakterien und Filterung ist schon etliche Jahre her. Von daher müssen meine Überlegungen oben durchaus nicht mehr dem aktuellen Stand betreffen.
Daher kommt das Thema auch in das Diskussionsboard, damit, falls jemand aktuelle Untersuchungen kennt, dieses hier posten kann.