Ein Hallo in die Runde
Ich habe mich in letzter Zeit recht intensiv mit dem Thema „Organik“ beschäftigt.
Eines ist ja klar: Der Organik fällt in einem Riffaquarium eine zentrale Rolle zu. Der Grund ist, dass Korallen als Anthozoa zu den Nesseltieren zählen und sich somit Chemoorganotroph ernähren. Bei vielen Vertretern besteht eine Symbiose mit Zooxanthellen, welche einen Großteil des Energiebedarfs an Zucker sicherstellen kann.
Für Lebens und Wachstumsvorgänge jedoch benötigen sowohl Korallen als auch Bakterien, Schwämme, Protisten… dringend organische Substanzen.
Das meint in erster Linie Aminosäuren, Cofaktoren (Coenzyme, Cosubstrate…)Vitamine, Fettsäuren, Kohlenhydrate Peptide, Proteine (Enzyme), und alles was unter „Mikronährstoffe“ zählt. All diese tragen dazu bei, dass Syntheseprozesse und somit der Metabolismus optimal funktionieren.
Auch können verschiedene Zucker, Fettsäuren und Aminosäuren direkt über den Citratzyklus aufgenommen werden und stehen somit als direkte Energiequelle zur Verfügung.
Der Sinn dieser „Organik“ liegt nicht nur darin, das Wachstum von Korallen zu verbessern und ein Absterben von beschatteten Korallenteilen zu vermindern, sondern auch die Bakterienkulturen im Becken optimal zu versorgen. Auf diese Weise kommt es nicht zu einer Verknappung bestimmter Bakterienkulturen, wodurch die Ab- und Umbauprozesse im Becken auf lange Zeit stabilisiert werden können.
Soweit ist alles klar.
Meiner Meinung nach richtet sich der Verbrauch eines Aquariums nach einigen Kriterien.
- Korallenbesatz (Art und Anzahl der Korallen, sowie deren Ernährungsweise)
- Anzahl der Bakterien, Protisten, Algen (Refugium), Schwämme… (diese Zahl richtet sich vordergründig nach der maximal zur Verfügung stehenden Siedlungsfläche, meint also Gestein, Sand, Dekoration, Refugien)
Ein Problem, mit dem wir als Riffaquarianer zu kämpfen haben, ist, dass die zur Verfügung gestellte Organik nicht nur von den Korallen sondern quasi von allem verbraucht werden kann. Welche Tiere mehr verbrauchen richtet sich in erster Linie nach dem Konkurrenzdruck. Es stellt sich daher früher oder später ein dynamisches Gleichgewicht zwischen Korallen und „dem Anderen“ ein.
Jetzt komme ich zu meinem Anliegen.
Obwohl all diese Faktoren bekannt sind, ist es dennoch gängig eine Dosierungsmenge je x Liter anzugeben, und diese als „Konstante“ zu sehen, mit welcher die Nährstoffversorgung optimal eingestellt sein soll.
Dieses Vorgehen kann ich beim besten Willen nicht verstehen.
Wenn ich nun meinetwegen ein 100 Liter Aquarium habe, so gibt es mehrere Möglichkeiten.
Zum Beispiel kann man wenig Gestein und Sand, aber dafür viele Korallen haben. Man kann aber auch sehr viel Gestein und wenige Korallen haben. In diesem Fall würde sich der Verbrauch der Organik entweder zu Gunsten der Korallen oder der „Anderen“ verschieben. Nun ist es ja aber auch möglich sehr wenig Gestein und sehr wenige Korallen zu haben, oder aber von beidem sehr viel. Entweder würde also sehr wenig oder sehr viel Organik verbraucht werden.
In all diesen Fällen variiert die Möglichkeit der „Organiknutzung“ stark. Vor allem zwischen dem Becken mit wenigen Korallen & wenig Gestein und dem Becken mit vielen Korallen & viel Gestein/Sand ist die Kluft der möglichen Aufnahme riesig.
Auch Aquarien, welche z.B. über Biopellets betrieben werden, erzeugen ein um vielen höheres Maß an Bakterienwachstum (auf dem Medium) als Becken ohne diese.
In sofern erscheint es mir höchst fragwürdig, wie dennoch an einer Vorgabedosierung je x Liter festgehalten werden kann.
Auch finde ich es sinnvoll, bei der langsamen Startphase direkt gezielte Bakterienpräparate zu verwenden, um von Anfang an die Verfügbarkeit und optimale Vermehrung der „gewünschten“ Bakterien zu fördern und somit das Beckenkonzept weiter zu optimieren.
All dies wird entgegen besserem Wissen nicht bei den Dosierempfehlungen berücksichtigt.
Aus diesem Grude finde ich Sätze wie „100 Prozent kompatiebel“, „zwingend verpflichtend“ oder „verbindlich“ sehr fragwürdig und für Einsteiger und biologische Laien irreführend, da sie ein „so musst du das machen…“ beinhalten.
Die Produkte verbessern zwar sicherlich den „Istzustand“ aber ein wirkliches „Optimum“ kann mittels dieser Herstellerempfehlungen meiner Meinung nach nicht erreicht werden.
Wie steht ihr dazu?