Das Wort „Dinoflagellat“ wird den meisten bekannt vorkommen, im Zusammenhang mit unschönen braun-gelben Belägen, die wir nicht in unserem Aquarium haben möchten. Es spukt aktuell in der deutschsprachigen Riffaquaristik-Community das hartnäckige Gerücht herum, dass es sich bei den Dinoflagellaten, die diese Beläge auslösen, um ausgestoßene Zooxanthellen unserer Korallen handelt. Dies entspricht nicht den Tatsachen.
Was sind Dinoflagellaten?
Zuerst ein Wort zum Thema Taxonomie: In der Biologie redet man von Familien, Gattungen, Arten etc. Wir Menschen zum Beispiel sind eine Gattung der Familie der Menschenaffen. Andere Gattungen sind z. B. Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans.
Dinoflagellaten sind keine einzelne Algenart; es handelt sich um eine ganze Familie, und zwar um eine Familie von Einzellern. Sie zählen zu den Algen, weil sie im Wasser leben und zur Fotosynthese befähigt sind. Ich werde nur bis auf Gattungsebene runtergehen, weil die Unterscheidung verschiedener Arten sehr komplex und teilweise ohne genetische Untersuchung nicht möglich ist - und zum Glück ist sie zum Verständnis „unserer“ Dinos auch gar nicht notwendig! Es gibt relativ offensichtliche Unterschiede zwischen den zur Diskussion stehenden Dinoflagellaten, zum Beispiel zwischen der Gattung Ostreopsis und der Gattung Symbiodinium.
Es gibt Dinoflagellaten sowohl im Süßwasser als auch im Meerwasser. Sie spielen in der Meeresökologie eine extrem wichtige Rolle und sind daher auch in unseren Aquarien immer vorhanden und auch erwünscht. Die verschiedenen Gattungen können frei in der Wassersäule leben oder als Aufsitzer auf Makroalgen, sie können Substrat besiedeln oder mit anderen Organismen eine Symbiose eingehen.
Zooxanthellen – die Gattung Symbiodinium
Die Dinoflagellaten, die mit unseren Korallen in Symbiose leben, gehören zur Gattung Symbiodinium. Verschiedene Symbiodinium-Arten leben frei oder auch in Symbiose mit anderen Organismen wie zum Beispiel Muscheln, Quallen, Würmern, Schwämmen etc., spielen aber im Folgenden keine Rolle. Ich beziehe mich ausschließlich auf die in den Korallen lebenden Symbionten.
Zooxanthellen (Bildquelle: Wikipedia)
Was genau Zooxanthellen sind und welche Symbiodinium-Art in welcher unserer Korallen lebt, hat Dana Riddle in einem großartigen und sehr umfangreichen Artikel zusammengefasst: "An update on Symbiodinium species and their hosts"
Das Wichtigste ist: Die in Wirtszellen lebenden Symbiodinium-Dinoflagellaten sind immer kugelförmig, und relativ klein (6 – 13 µm) im Verhältnis zu den benthischen Gattungen, zu denen ich noch komme.
Die Stabilität der Symbiose ist ein unglaublich komplexes Thema – am besten untersucht ist sicherlich das Ausstoßen von Zooxanthellen bei Hitzestress, die allseits bekannte Korallenbleiche, die aktuell die natürlichen Riffe massiv bedroht. Ich habe zwar eine umfangreiche Literaturrecherche zum Thema Ausstoßen von Zooxanthellen betrieben, aber daraus hauptsächlich die Erkenntnis gewonnen, dass von definitiven Aussagen über Ursachen und den Vorgang an sich Abstand zu nehmen ist. Spielt auch für die Bekämpfung einer Dino-Plage keine Rolle, denn es handelt sich, wie gesagt, bei den die braunen Beläge bildenden Gattungen nicht um Zooxanthellen.
Falls an dem Thema Interesse besteht kann ich wärmstens die Forschung von Dr. Lisa Fujise empfehlen, die bereits einiges dazu veröffentlicht hat.
In deutschen Artikeln und Foren habe ich schon öfter gelesen, dass diese roten Fäden, die die Korallen manchmal aus der Mundöffnung absondern, abgestoßene Zooxanthellen sind. Als meine Euphyllia neulich also mal wieder so einen roten Faden aus der Mundöffnung abgesondert hat, habe ich mir das Zeug mal geschnappt und unter das Mikroskop gepackt:
"Zooxanthellen" frisch verdaut bei 100facher Vergrößerung. Die Zellen waren um die 10 - 12 µm groß (gemessen mit der Software der Mikroskopkamera).
Man sieht einen deutlichen Unterschied zu den Mikroskop-Bildern, die regelmäßig von Proben der braunen Beläge gemacht und auf Foren gepostet werden. Und auch einen Unterschied zu der Aufnahme gesunder Zellen weiter oben!
Plagegeister – die benthischen Gattungen, die uns quälen
Benthische Dinoflagellaten sind - wie oben bereits erwähnt – Dinoflagellaten, die im Bodensubstrat, auf dem Gestein oder auf Makroalgen leben. Sie spielen in der Ökologie eines gesunden Korallenriffes eine Schlüsselrolle, so dass ihre Anwesenheit wichtig und erwünscht ist. Jedoch können sie auch Algenblüten auslösen, indem sie sich aus irgendwelchen Gründen massenhaft vermehren, und dann Probleme verursachen.
Der User taricha (Jonathan Begnaud) von der amerikanischen Community Reef2Reef hat diesen schönen Guide zur Identifikation von Dinos zusammengestellt:
Dinoflagellaten-Identifikationsguide von Reef2Reef
Der Guide enthält auch Fotos, reinschauen lohnt sich also!
Die „großen Drei“, also die häufigsten in Aquarien vorgefundenen Dino-Gattungen sind laut seinem Guide Ostreopsis, Prorocentrum und großzellige Amphidinium. Als weniger häufigere Art nennt er kleinzellige Amphidinium, Coolia und "Symbiodinium-Ähnliche". Er schreibt außerdem: „Von den über 2000 Dino-Arten könnten theoretisch alle im Aquarium vorhanden sein, aber die Riffaquarien scheinen alle ähnliche Bedingungen bereitzustellen, die immer den gleichen Dinoflagellaten zur Blüte verhelfen. Wenn man allerdings ein unübliches System fährt, zum Beispiel ohne Abschäumer, könnte das Aquarium auch von völlig anderen Dinoflagellaten-Arten als den hier besprochenen bewohnt werden.“
Im Folgenden übersetze ich euch die Beschreibungen von Jonathan, die sich auch mit dem Bestimmungsschlüssel in dem Buch „Marine benthic dinoflagellates“ von Dr. Mona Hoppenrath decken.
Ostreopsis
“Der häufigste Übeltäter, der für die Mehrheit von an Dinos verlorene Aquarien verantwortlich ist, kann lange Fäden bilden, in dem er Mikrofasern und Mucus (Schleim) kombiniert. Zwei Arten von Zysten – Kurzzeit-Zysten für Stunden bis Tage, und Langzeit-Zysten, die monatelang haltbar sind, bis Wärme und Nährstoffe günstig sind. In der freien Natur bildet Ostreopsis meistens riesige Blüten, die Makroalgen überziehen. Geformt wie ein Sesamsamen mit einer hell gefärbten Spitze. Dreht sich meistens im Kreis mit der Spitze in der Mitte. Meistens gut sichtbare klare Zellhülle. Steigt in der Nacht in die Wassersäule auf.“
Größe: 40 – 80 µm (also mindestens viermal so groß wie Symbiodinium-Zellen)
Amphidinium (großzellig)
„Braune und staubige Beläge, die an Kieselalgen erinnern. Oval mit einem „Schnabel“. In manchen Populationen zeigt der Schnabel nach rechts oder links. Unbepanzert; die Zellen können in der Form flexibel sein. Bleibt auf oder im Sand und kann so nicht per UV oder anderen Filtrationsmethoden entfernt werden, zudem ist er nicht anfällig für chemische Methoden. Längerfristige Dunkelheit macht ihm nichts aus. Nicht so giftig wie die anderen, könnte eventuell von Schnecken oder Amphipoden etc. gefressen werden.“
Größe: 30 – 60 μm
Prorocentrum
„Symmetrisch oval mit einer kleinen Kerbe an der Spitze. In der Mitte der Zelle kann man eine kreisförmige Struktur erkennen. Die Zellwand kann man normalerweise nicht sehen. Ziemlich unbeweglich. Kann jede Oberfläche bewohnen – sogar lebende Copepoden. Können in die Wassersäule aufsteigen, aber es braucht eine Veränderung der Bedingungen, zum Beispiel eine kurze Dunkelheitsphase, um eine größere nächtliche Wanderung auszulösen.“
Ich selbst habe in meinem Aquarium bisher hauptsächlich Prorocentrum und Ostreopsis beobachtet. Gerade diese beiden können Gifte produzieren, Ostreopsis auch Palytoxin, das Zoanthus- und Palythoa-Haltern ein Begriff sein wird. Als "harmful benthic microalgae" erfahren sie in der Forschung relativ viel Aufmerksamkeit, weil sie im Fall einer größeren Blüte im Meer gesundheitsgefährdend sein können.
Ich hoffe, dass die Unterschiede jetzt klarer sind.