Die biogene Entkalkung in der modernen Nano-Aquaristik - ein längst vergessenes Problem?

  • Hallo,


    Ein seltsamer Titel? Ja, denn wer weiß schon was das ist?
    Grund für diesen Thread ist, dass ich in meinem Werstattbecken dieses Phänomen hautnah erleben durfte.


    Aber was geschieht eigentlich bei dieser biogenen Entkalkung?


    KH oder Karbonathärte:


    Obwohl dies für die modernen Wasserchemiker ein antiquierter Begriff ist, sollte man wissen, was der eigentlich bedeutet. Dazu mal ein kleiner Ausflug in die Vergangenheit:
    Jeder kennt das: in manchen Gegenden braucht man Unmengen von Seife, damit es schäumt in anderen Gegenden reicht ein Fitzelchen. Dies war vor allem für Hausfrauen bei der Wäschepflege ein Ärgernis. Dann machte man die Entdeckung, dass bei abgekochtem Wasser weniger Seife gebraucht wird. Die Wasserhärte war also unter Einfluss von Hitze gesunken, allerdings unter Zurücklassen vom so genannten Kesselstein (Kalk).


    Wasserchemisch passiert Folgendes: Im Wasser befinden sich positiv geladene Teilchen (Kationen) und negativ geladene Teilchen (Anionen). Zu den wichtigsten Kationen gehören die Erdalkalien Magnesium und Calcium, zu den Anionen gehören die Hydrogencarbonate. Nun ist es so, dass in vielen Gewässern diese Hydrogencabonate als Kationenpartner die Erdalkalien Magnesium und Calcium haben. Es ist also Calciumhydrogencarbonat und Magnesiumhydrogencarbonat im Wasser vorhanden. Durch Hitze wandeln sich die Hydrogencarbonate um in Carbonate. Diese Carbonate werden in Verbindung mit ihrem Kationenpartner Calcium und Magnesium zu Calcium/Magnesiumcarbonat. Dieses ist aber wasserunlöslich und fällt als Kalk aus. Da in dem Kalk auch Magnesium und Calcium gebunden ist, sinkt die Wasserhärte, man braucht weniger Seife.


    Und nun zum Begriff KH: Als KH bezeichnete man den Teil der Wasserhärte, der als Carbonat ausfällen kann. Und dies ist ganz wichtig: Nur Carbonate, die Erdalkalien zum Partner haben, können ausfällen und sind wasserunlöslich. Carbonate, die andere Kationen wie Natrium oder Kalium als Partner haben, sind wasserlöslich und können daher nicht ausfällen.


    Jetzt zur biogenen Entkalkung:
    Wie ich ausgeführt habe ist die "echte KH" z.B. Calciumhydrogencarboat. Wenn man sich die Summenformel anschaut: Ca(HCO3)2 fällt einem auf, dass in der Summenformel HCO3 auftaucht. Dies sind die Salze der Kohlensäure. Kohlensäure entseht wenn man Kohlendioxid ins Wasser einleitet, wobei nur ein sehr geringer Teil als Kohlensäure umgewandelt wird. Diese Kohlensäure reagiert mit Kalk zu Calciumhydrogencarbonat und ist dann quasi darin gebunden.


    Nun ist CO2 quasi der wichtigste Nährstoff für Pflanzen, auch im Meerwasser für die Makroalgen und die Zooxanthellen der Korallen.
    Sie greifen sich das benötigte CO2 erst einmal aus dem Wasser, also das freie CO2. Doch nun kann es dazu kommen, dass nicht mehr genug freies CO2 vorhanden ist. Um den Bedarf an CO2 zu decken greifen die Algen und Zooxanthellen nun zu einem Trick. Sie entziehen das nötige CO2 dem Calcium- und Magnesiumhydrogencarbonat. Dabei wird das Hydrogencarbonat (hier die echte KH) zerstört und es entsteht unlösliches Calcim- und Magnesiumcarbonat. Also sinkt die KH und natürlich auch der Ca und Mg Wert, da beide Elemente nun als Kalk vorliegen.
    Diesen Zustand hatte ich im Werkstattbecken. Die KH war überhaupt nicht mehr zu stabilisieren. Ich hatte Verluste bis zu 2 KH am Tag!!!!
    Obwohl ich das Wasser der Nachfüllanlage mit Natriumhydrogencarbonat quasi flutete, war Montags (ich kann ja nicht übers Wochenende ans Becken) die KH meist nur noch bei 5.
    Da ich ja aus meiner Süßwasserzeit und aufgrund meines Algenbeckens mit der Problematik der biogenen Entkalkung vertraut war, schaffte ich mir eine Bio-CO2-Anlage an, die nun seit 3 Wochen ihren Dienst tut. Der Erfolg ist phänomenal. Die KH hat sich stablisiert, der Verlust beträgt im Moment ca. 1KH pro Woche. (Ganz verhindern kann man einen KH-Verlust natürlich nicht, da z.B. durch die Bakterientätigkeit ebenfalls KH verbraucht wird.)


    Ich möchte mit dem Thread ein wenig das Auge schärfen, was so passieren kann. Wenn jemand also massive KH-Verluste hat, sollte man die Möglichkeit der biogenen Entkalkung im Hinterkopf haben.
    Bei meinem Werkstattbecken kommen natürlich Faktoren vor, die das sehr begünstigen, keine Frage.
    Da wären:
    -Makroalgen im Becken
    -dichter Korallenbesatz
    -LED
    -kein Abschäumer
    -kleines Becken (40l Wasserinhalt)
    -kein Fischbesatz, nur Schnecken


    Da in der modernen Nanoaquaristik so eine Zusammenstellung nicht so ganz selten ist, denke ich, dass es vielleicht so einige Aquarianer gibt, die ebenfalls KH-Probleme haben ohne zu wissen, was da eigentlich los ist und einfach weiter Natriumhydrogencarbonat ins Becken schütten, wobei, wie gesagt, nicht die echte KH erhöht wird.


    lg
    Beate
    P.S. mir ist natürlich bewusst, dass eine Bio-CO2-Anlage nicht regelbar ist und mein Becken in der Nacht selber CO2 produziert. Deshalb wird das Becken über Nacht mithilfe eines Lindenholzausstömers und einer Luftpumpe vom überschüssigen CO2 befreit.






  • Hi Beate,
    danke für deinen interessanten Beitrag!
    Ich hatte an meinem Algenbecken ja auch Bio-CO2, das war schon sehr nützlich!

    Grüße,
    Stef

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